Digitale Lernmedien:
Mit guter Gestaltung und intuitiver Bedienung zum Lernerfolg

Naive Clip-Art-Grafik, komplizierte Bedienung und unpassende (An)Sprache: Noch heute sehen sich Lernende in Unternehmen nicht selten mit (digitalen) Schulungen konfrontiert, die wie CD-ROM-Anwendungen aus den 1990er Jahren anmuten. Ein Grund für diesen Missstand dürfte darin liegen, dass viele Verantwortliche nicht wissen, wie bedeutend Gestaltungsfragen tatsächlich für den Lernerfolg sind. Hinzu kommt: Tools wie PowerPoint oder Canva erlauben längst auch grafisch Ungeschulten, »gestalterisch« tätig zu werden – ganz ohne grafische und typografische Kenntnisse. Gerade mit Blick auf Lernmedien ist das bedauerlich, denn eine gute Gestaltung – und diese umfasst zahlreiche Aspekte, von User Interface Design und Typografie über Bildsprache und Farbgebung bis hin zum Sprachstil – war noch nie nur »nice to have«. Vielmehr tragen gestalterische Entscheidungen ganz erheblich dazu bei, was für eine Erfahrung die Lernenden machen. Rückständige Angebote in unattraktiver Optik und mit schlechter Bedienbarkeit rauben ihnen die Lust, sich mit der präsentierten Materie auseinanderzusetzen. Dies läuft in der Regel aber so unterschwellig ab, dass die Lernenden nicht bewusst wahrnehmen, woran es hapert, und folglich auch nicht Alarm schlagen können. Hinzu kommt ein weiteres, tiefgehendes Problem: Wer inadäquate Lernmedien einsetzt, bringt dem Thema Weiterbildung, den Mitarbeitenden und ihrer Zeit keine Wertschätzung entgegen. Und dieses Mindset kann nicht nur die Lernmotivation beeinträchtigen, sondern sich sogar negativ auf die Arbeitshaltung insgesamt auswirken.
Gleichzeitig hat die grafische Qualität – ebenso wie die sprachliche – einen direkten Einfluss auf die Wirksamkeit von Lernmedien. Das sage ich hier nicht nur als bekennender Gestaltungs-Enthusiast. Tatsächlich ist wissenschaftlich erwiesen, dass visuelle Gestaltung die intellektuelle Performance, die Lernprozesse und die Lernbereitschaft aktiv unterstützen – und damit im Umkehrschluss auch behindern – kann. Belege finden sich beispielsweise in den Arbeiten von Maria dos Santos Lonsdale von der School of Design der University of Leeds oder in der Studie »If it’s hard to read, it’s hard to do« (Song et al, 2008), die anhand unterschiedlicher Gestaltungsvarianten desselben Kochrezepts zeigte: Je übersichtlicher die Darstellung, desto eher gingen die Probanden davon aus, dass sie das Rezept leicht nachkochen könnten, womit dessen Nutzungswahrscheinlichkeit natürlich stieg.

Die übersichtliche Gestaltung erhöht die Motivation, sich mit dem Rezept zu befassen. Auch eine angemessene Schriftwahl, Größenkontraste und der gezielte Einsatz von Farbe tragen zur Attraktivität bei.
Eine funktionierende Gestaltung unterstützt die aktive Informationsverarbeitung
Damit ein Schulungsteilnehmer lernen und die Schulung Wirkung zeigen kann, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Der Lernende muss die wichtigen Informationen einer Lerneinheit eindeutig identifizieren und auf diese zugreifen können. Anschließend muss sein Gehirn die Informationen verarbeiten und sie dabei in Bezug zu seinem bisherigen Wissen setzen. Nur eine funktionierende Gestaltung kann diese aktive Informationsverarbeitung optimal unterstützen und hier gibt es sehr viele Punkte, an denen wir ansetzen sollten. Zum Beispiel bei der Frage »Wie gestalte ich den Weg meiner Lernenden durch die Schulung?« und damit verbunden beim User Interface.
Zum Lernen einladen mit einer konsequent gestalteten Bedienoberfläche
Bei der Gestaltung von Lernmedien stehen grundsätzlich die Bedürfnisse der Adressaten im Mittelpunkt. Was brauchen diese konkret und in diesem Moment? Ein einfacher Weg, das herauszufinden: Sprechen Sie mit den Menschen, die Ihre Lernmedien nutzen sollen! Reden hilft (fast) immer, so auch hier. Auch bei der Schulung von Pflichtthemen ist dieser Ansatz übrigens sinnvoll. Hier lautet die Leitfrage »Wo kann ich bei den tatsächlich vorhandenen Wissensbedürfnissen, Interessen und Emotionen der Teilnehmer ansetzen, um ihnen das Pflichtprogramm schmackhaft zu machen?«
Sind die Bedürfnisse beziehungsweise die Relevanz geklärt, gilt es nun noch, dafür zu sorgen, dass die Lernenden das Benötigte ohne lästige Umschweife finden. Dazu braucht es eine klare, ergonomisch bedienbare Navigationsstruktur, die es ihnen ermöglicht, sich schnell innerhalb des Lernmediums zu orientieren. Hilfreich sind adaptive Lernpfade. Diese passen sich den Lernenden automatisch an, ohne dass sie es bemerken oder aktiv eine Wahl treffen müssten. Bei der Gestaltung des User Interface kommen auch die sogenannten Gestaltgesetze ins Spiel. Diese leiten sich aus der Gestaltpsychologie ab und beschreiben bestimmte Eigenheiten der menschlichen Wahrnehmung. Wendet man die Gesetze bewusst an, kann man mit ihrer Hilfe Informationen so aufbereiten, dass der Betrachter sie im Idealfall nicht nur vollständig, sondern auch fehler- und ermüdungsfrei aufnimmt und entsprechend gut verarbeiten kann. Sich mit all diesen Aspekten gründlich zu befassen, zahlt sich aus, denn ein gut gestaltetes User Interface erlaubt es den Lernenden, sich ohne Reibungsverluste auf die Inhalte zu konzentrieren.

Das Beispiel zeigt eine klare, gut lesbare Inhaltsübersicht, die für eine schnelle Orientierung sorgt. Voraussetzung sind gut lesbare Schriften und der bewusste Einsatz von Abständen, um Informationen klar zu unterscheiden. Farben zeigen an, welche Kapitel bereits abgeschlossen sind und wo sich der Lernende gerade befindet. Die Zeitangaben rechts bieten eine Entscheidungshilfe, ob genügend Zeit (und Muße) für ein Kapitel vorhanden sind.
Im Folgenden schauen wir uns an, was das für einzelne gestalterische Elemente konkret bedeutet:
Das gestalterische Potenzial von Farben für das User Interface nutzen
Farben können bekanntlich warm oder kalt sein, sie beeinflussen die Emotionen und wecken sowohl individuelle als auch kulturell geprägte Assoziationen. Spielen mehrere Farben zusammen, verändern sich auch die mit ihnen verbundenen Assoziationen. All das sollte man bei der Farbwahl für das User Interface berücksichtigen. In der Praxis wird die Wahlfreiheit allerdings meist begrenzt sein, da oft ein Corporate Design (CD) bestimmte Farben vorgibt. Sich daran – und auch an allen anderen CD-Vorgaben – zu orientieren, ist extrem sinnvoll, denn so entsteht Wiedererkennbarkeit. (Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass Ihr Branding-Beauftragter Sie lieben wird.)
Gezielt eingesetzt, leiten Farben das Auge. Sie erleichtern es dem Gehirn, Strukturen zu erkennen und unterstützen die visuelle Hierarchie, führen die Lernenden also intuitiv durch die Inhalte der Schulung. Somit geht es bei der Farbwahl also keinesfalls nur um Ästhetik – um die es natürlich auch geht – sondern in erster Linie darum, inhaltliche Elemente klar voneinander abzugrenzen. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Leserlichkeit, etwa bei der Wahl des geeigneten Kontrasts zwischen Hintergrundfarbe und Textfarbe oder Buttonfarbe. Auch Anforderungen an barrierefreies Design sollten bei der Farbgestaltung Berücksichtigung finden. So ist in Europa beispielsweise fast jeder zehnte Mann von einer Rot-Grün-Sehschwäche betroffen (bei Frauen kommt diese Form der abweichenden Farbwahrnehmung deutlich seltener vor).
Farbig heißt übrigens nicht dasselbe wie bunt. Für ein gelungenes Interface Design genügen oft schon ein, zwei oder maximal drei Farbtöne, die man durch Abstufungen ergänzen kann. Zu viele verschiedene Farben dagegen können irritierend wirken und anstrengend sein: Der Betrachter braucht mehr Zeit, um sich zu orientieren, was einen abschreckenden Effekt haben kann. Da die Palette in der Regel aber durch die Corporate-Design-Farben vorgegeben ist, sollte es nicht schwerfallen, hier dem Grundsatz »Weniger ist mehr« zu folgen.

In diesem Beispiel wird Farbe gezielt verwendet, um die Auswirkungen zu verdeutlichen, die Plastikverschmutzung in den Weltmeeren auf Tiere und Menschen hat. Zudem bewirkt die hellblaue Farbe ein harmonisches Zusammenspiel der wuchtigen Informationsboxen mit der dunkelblau gefärbten Kolumne.
Die Wirkung von Textinhalten durch typografische Gestaltung verstärken
Auch wenn zeitgemäße digitale Schulungen auf einen Mix unterschiedlicher Formate setzen: Text bleibt in den allermeisten Fällen das Leitmedium. Daraus ergibt sich eine weitere, entscheidende Frage: »Wie sorge ich dafür, dass sich die Textinhalte meiner Schulung den Lernenden leicht erschließen?« Neben sprachlichen Aspekten, auf die ich in einem separaten Artikel eingehen werde, kommen hier die typografischen Gestaltungsprinzipien ins Spiel. Gute Typografie ist nämlich nie nur optional. Vielmehr ist sie die Grundlage dafür, dass wir schriftlich dargebotenes Wissen überhaupt aufnehmen können, da sie die Inhalte strukturiert – was gerade beim Lernen besonders wichtig ist – und die Bedeutung des Geschriebenen verstärken kann.
»Gute Typografie ist die Grundlage dafür, dass wir schriftlich dargebotenes Wissen überhaupt aufnehmen können.«
Digitale Schulungen brauchen eine Schrift, die sich am Bildschirm gut lesen lässt und zu den Inhalten passt oder ihnen zumindest nicht zuwiderläuft. Letzteres gilt natürlich auch für Gedrucktes, hier sollte die Schrift ebenfalls passen. Typografisch Ungeschulte werden zwar nicht aktiv erkennen, dass es typografische Elemente sind (Schriftart, Abstände zwischen den Buchstaben, Abstände zwischen den Zeilen, Länge der Zeilen etc.), die sie beim Lesen und Lernen beeinträchtigen, aber unbewusst passiert genau das. Eine bewusst dekorative oder gewollt »lockere« Schrift, etwa eine Comic-Schrift, trägt – anders als vielleicht vermutet – nicht zu einem entspannten oder besonders kurzweiligen Leseerlebnis bei. Die generelle Empfehlung geht daher in Richtung einer zurückhaltenden Schrift, die nicht sich selbst in den Fokus rückt, sondern den Inhalt des Texts. Wichtig ist zudem ein harmonisches Verhältnis von Schriftart, Schriftgröße, Zeilenlänge und Zeilenabständen, das einfaches Lesen erst möglich macht. Unbedacht mit Schrift »herumbasteln« empfiehlt sich also eher nicht. Denn gutes Learning Experience Design braucht richtig und gut gemachte Typografie.

Bildbeispiel FAZ-Typografie aktuell vs. Optimiert: Durch eine Anpassung dieser Parameter kann die Lesbarkeit deutlich verbessert werden:
1. Die große Überschrift erscheint in einem Display-Schnitt und wirkt nun eleganter und läuft platzsparender.
2. Durch den verringerten Zeilenabstand springt das Auge nun mühelos von einer zur nächsten Zeile.
3. Nur durch den Einsatz von Silbentrennungen können sich die Zeilen optimal der jeweiligen Bildschirmbreite anpassen.
4. Die Texthervorhebungen im Fließtext sind etwas dezenter und stören dadurch den Lesefluss weniger.
Ein paar konkrete Tipps zur Typografie:
- Gibt es eine Hausschrift, sollte diese auch in den Schulungen zum Einsatz kommen. Das trägt – wie die Hausfarben – zu einer stärkeren Identifizierung mit der Marke bei.
- Für längere Lesestrecken nicht mehr als eine Schriftart verwenden. Im Idealfall besitzt diese drei bis vier Schriftschnitte (beispielsweise Regular, Medium, Bold) jeweils in aufrecht und kursiv. Aber auch hier ist weniger mehr.
- Hervorhebungen wie etwa Fettungen und Unterstreichungen nur sparsam einsetzen. Kursiv gesetzte Passagen sind schlechter zu lesen als gefettete oder unterstrichene. Auch farbige Hervorhebungen sind oft nicht die beste Wahl, da gerade bei helleren Schriftfarben der Kontrast zum Hintergrund fehlen kann. Hinzu kommt: Nicht alle Lernenden können alle Farben unterscheiden.
- Längere Texte grundsätzlich durch Absätze und Zwischenüberschriften strukturieren. Das schafft optische Pausen, kann einen guten Rhythmus vorgeben und eröffnet die Möglichkeit, bei Bedarf aus einem Inhalt hinaus- und wieder hineinzuspringen.
- Bei Texten, die am Bildschirm gelesen werden, gibt es keinen (wirklich KEINEN) Grund für Blocksatz. Besser ist linksbündiger Flattersatz. Vereinzelt können Elemente zentriert werden, längere Textabschnitte jedoch auf keinen Fall.
Und noch ein Punkt, der in rechtlicher Hinsicht relevant ist: Werden Schriften in Schulungen eingebettet oder mit diesen ausgeliefert, sind unbedingt die Lizenzen zu beachten. Tatsächlich dürfen die wenigsten professionellen Schriften ohne eine explizite Lizenz überhaupt weitergegeben werden.
Beim Medienmix auf einen einheitlichen Stil achten
Natürlich umfassen gute Schulungen in der Regel nicht nur Texte, sondern sie nutzen einen Medienmix, bei dem beispielsweise Erklärfilme, Audioinhalte und Infografiken zum Einsatz kommen, um unterschiedliche Sinne anzusprechen und Wissen auf verschiedenen Ebenen zu vermitteln. Hier ist mit Blick auf die Gestaltung nicht nur eine hohe, sondern zugleich eine einheitliche stilistische Qualität aller eingesetzten Formate wichtig. Es geht also beispielsweise darum, sich für eine bestimmte Bildsprache der Erklärfilme und Infografiken zu entscheiden oder eine klar definierte Klangqualität von Audioinhalten sicherzustellen. Welche Möglichkeiten es dabei im Einzelnen gibt, ist Thema für einen weiteren Artikel. Unabhängig von der Gestaltung gilt für alle Formate im Medienmix: Sie werden stets nur dort eingesetzt, wo sie das Erfassen von Informationen erleichtern, nie als Selbstzweck.
Fazit
Alle genannten Punkte zahlen ganz klar auf die gestalterische Qualität digitaler (und analoger) Schulungen ein und damit direkt auf ihre Wirksamkeit, auf Motivation und Lernerfolg der Teilnehmenden. Sie wirken sich positiv auf die Wiedererkennbarkeit des Unternehmens oder der Marke aus, die hinter den Schulungen steht. Derart gestaltete Lernmedien signalisieren den Mitarbeitenden Wertschätzung und tragen – anders als die eingangs erwähnten Anwendungen im Look and Feel der 90er Jahre – zu einer positiven Lernkultur bei. Davon wiederum profitiert die Mitarbeiterzufriedenheit und auch die Attraktivität des Arbeitgebers für interessante Bewerber und Bewerberinnen nimmt zu. Wer sich mit der Lernmediengestaltung Mühe gibt, punktet also weit über die Vermittlung der Schulungsinhalte hinaus. Dennoch bleibt das wichtigste Kriterium beim Lernen die Relevanz: Nur wenn die Inhalte tatsächlich einen Bezug zum Alltag der Lernenden haben, kann eine Schulung ihren Zweck erfüllen.